Die Antibabypille ist für viele Frauen ein selbstverständlicher Begleiter im Alltag geworden – oft schon ab der Jugendzeit, manchmal ohne ausreichende Aufklärung, meist mit dem Ziel, Hautprobleme in den Griff zu bekommen oder den Zyklus „zu regulieren“. Was viele nicht wissen: Die Pille beeinflusst weit mehr als nur den Hormonhaushalt.
Ein kurzer Blick zurück: Wie die Pille zum Standard wurde
Die Pille kam in den 1960ern auf den Markt und wurde als „Befreiung der Frau“ gefeiert. Und ja – sie hat Frauen ein großes Stück Selbstbestimmung ermöglicht. Aber gleichzeitig entstand auch eine neue Abhängigkeit von einem Hormonpräparat, das massiv in die natürliche Funktion des Körpers eingreift.
Heutzutage wird die Pille oft schon bei ersten Hautunreinheiten, Menstruationsschmerzen oder unregelmäßigem Zyklus verschrieben. Nicht selten ohne Alternativen aufzuzeigen oder über die langfristigen Nebenwirkungen aufzuklären. Dass diese synthetischen Hormone nicht nur den Zyklus beeinflussen, sondern auch Stimmung, Libido, Schlafqualität, Ernährung – und eben auch den Muskelaufbau – wird dabei selten thematisiert.
Was die Pille im Körper eigentlich macht
Die meisten Pillenpräparate enthalten synthetisches Östrogen und Gestagen. Diese unterdrücken den natürlichen Eisprung, senken den körpereigenen Östrogen- und Progesteronspiegel und sorgen dafür, dass der Körper in einer Art „Daueralarm“ bleibt. Der natürliche Hormonverlauf mit seinen feinen Schwankungen über den Zyklus hinweg wird ausgehebelt.
Diese Hormonveränderungen haben nicht nur Einfluss auf unsere Fruchtbarkeit – sondern auch auf unsere Trainingsresultate.
Pille und Muskelaufbau – was sagt die Forschung?
Verschiedene Studien haben sich in den letzten Jahren mit der Frage beschäftigt, wie die Pille die Trainingsergebnisse beeinflusst. Einige zentrale Erkenntnisse:
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- Verminderte Muskelproteinsynthese:
Eine Studie von Hansen et al. (2011) zeigte, dass Frauen, die eine Pille mit Ethinylöstradiol einnehmen, eine reduzierte Muskelproteinsynthese nach dem Training aufweisen – also ein schlechteres „Muskelwachstumssignal“ nach dem Krafttraining. Weiters steigt die Verletzungsanfälligkeit infolge einer schlechteren Anpassung der Sehnen bzw. verlangsamten Kollagenbildung.
- Verminderte Muskelproteinsynthese:
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- Weniger Muskelmasse trotz gleichem Training:
In einer Untersuchung an jungen Frauen (Elliott-Sale et al., 2020) schnitten die Probandinnen unter Pilleneinnahme bei der Zunahme fettfreier Masse (also Muskelmasse) deutlich schlechter ab als die Kontrollgruppe.
- Weniger Muskelmasse trotz gleichem Training:
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- Veränderung des Testosteronhaushalts:
Die Pille senkt nicht nur den natürlichen Östrogenspiegel, sondern auch Testosteron – ein Hormon, das auch bei Frauen eine wichtige Rolle im Muskelaufbau spielt. Weniger freies Testosteron = schlechtere Voraussetzungen für Hypertrophie.
- Veränderung des Testosteronhaushalts:
Trainingsmotivation, Schlaf & Regeneration – auch betroffen
Viele Frauen berichten unter der Pilleneinnahme von einem Rückgang ihrer Motivation, vermehrter Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder schlechterem Schlaf. All das kann sich direkt oder indirekt auf den Trainingserfolg auswirken – gerade langfristig.
Die hormonelle Gleichmäßigkeit, die die Pille vorgibt, klingt im ersten Moment vielleicht praktisch. In Wirklichkeit nimmt sie dem weiblichen Körper aber die Möglichkeit, zyklusspezifische Stärken auszuspielen – etwa mehr Power in der Follikelphase.
Kritik: Warum wird die Pille so leichtfertig verschrieben?
Besonders bedenklich finde ich, wie oft die Pille jungen Mädchen verschrieben wird, ohne dass es überhaupt um Verhütung geht. Hautprobleme, Menstruationsschmerzen oder ein unregelmäßiger Zyklus werden als „Symptome“ behandelt, die es zu behandeln gilt – dabei sind das oft ganz normale Reifungsprozesse des Körpers. Statt mögliche Ursachen zu hinterfragen, wird eine schnelle und unkomplizierte Lösung angeboten. Die Folgen? Nicht selten ein gestörter Hormonhaushalt über Jahre hinweg, der sich erst nach dem Absetzen der Pille zeigt und dadurch auch einem Kinderwunsch massiv im Wege stehen kann.
Dass vor der Verschreibung Themen wie Muskelaufbau, Libidoverlust oder psychische Verstimmungen kaum angesprochen werden, ist aus meiner Sicht mehr als verantwortungslos und grenzt an grobe Fahrlässigkeit.
Was du stattdessen tun kannst
Natürlich ist die Pille ein individuelles Thema – jede Frau darf und soll selbst entscheiden, was für sie passt. Wenn dein Ziel allerdings optimaler Muskelaufbau ist und du deinen Körper besser verstehen willst, kann es hilfreich sein, auf Alternativen zur hormonellen Verhütung zu schauen. Hier ein paar erste Schritte:
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- Informiere dich über deinen Zyklus
Lerne, wie dein Körper im natürlichen Rhythmus funktioniert. Zyklus-Apps (mit gutem Datenschutz!) und/oder Basaltemperatur-Tracking können helfen.
- Informiere dich über deinen Zyklus
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- Sprich mit aufgeschlossenen Ärzt:innen
Lass dir erklären, was wirklich in deinem Körper passiert – nicht nur die Standardaussage „Die Pille hilft gegen alles.“
- Sprich mit aufgeschlossenen Ärzt:innen
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- Baue dein Training zyklusgerecht auf
Wenn du keine Hormone einnimmst, kannst du Training und Ernährung an deine Zyklusphasen anpassen – mit mehr Energie, besserer Erholung und deutlich spürbarem Fortschritt.
- Baue dein Training zyklusgerecht auf
Fazit: Pille und Muskelaufbau – nicht die beste Kombination
Die Pille ist nicht der Feind. Aber sie sollte auch keine leichtfertige Entscheidung sein, die sich mit dem Griff zur Anti-Pickel-Creme vergleichen lässt. Sie beeinflusst unseren Körper auf vielfältige Weise – nicht nur hormonell, sondern auch in Bezug auf Leistung, Erholung und Fortschritt beim Training.
Wenn du das Gefühl hast, auf der Stelle zu treten, dich ständig müde fühlst oder dein Körper nicht so mitzieht, wie du es vom Training erwarten würdest – dann lohnt es sich, auch das Thema Pille mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Denn: Muskelaufbau braucht nicht nur mechanischen Widerstand, Proteine und Regeneration – sondern auch ein feines und möglichst natürliches Gleichgewicht im Hormonhaushalt.