Wenn der Körper zum Trendobjekt wird
Was, wenn du nie mit deinem Körper zufrieden bist – nicht weil er nicht gesund ist, sondern weil er gerade nicht „in“ ist? Genau dieses Bild wird täglich Millionen von Menschen vermittelt. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Entwicklung weiblicher Schönheitsideale seit den 1960ern, wie Medien und Promis unser Selbstbild formen – und warum der Versuch, einem bestimmten Körperbild zu entsprechen, uns in Essstörungen und Selbsthass treiben kann.

Die Körper-Trends im Wandel der Zeit
1960er: Twiggy und die Geburt des Magerwahns
In den 60er Jahren revolutionierte das Model Lesley Lawson mit dem Spitznamen Twiggy (Zweiglein) das Schönheitsideal – mit ihrer extrem dünnen Figur wurde sie zur Stilikone. Ihre Erscheinung galt als modisch, modern und begehrenswert. Die damalige Chefredakteurin der Vogue beschrieb das Aussehen von Lesley Lawson als „das Bild des perfekten Körpers dieser Zeit“ und beeinflusste damit eine ganze Generation junger Frauen. Das war der Anfang einer Ära, in der „Skinny“ als erstrebenswert galt – ein bestimmtes Körperbild wurde zur neuen Norm.
1980er: Fitness, aber nur mit Thigh Gap
In den 80ern wurde Sportlichkeit modern – Aerobic, enge Leggings, Jane Fonda. Muskeln ja, aber bitte trotzdem schlank. Die berühmte „Thigh Gap“ (Lücke zwischen den Oberschenkeln) war ein indirektes Schönheitskriterium – etwas, das nur bei bestimmter Genetik bzw. Knochenstruktur überhaupt möglich ist.
1990er & 2000er: Size Zero und der Y2K-Look
In den 90ern war das Schönheitsideal dürr. Models wie Kate Moss prägten den Begriff „Heroin Chic“ – blasse Haut, eingefallene Wangen, schmale Körper. Die 2000er führten diesen Look weiter. Britney Spears, Christina Aguilera und Co. wurden mit tief sitzenden Jeans und bauchfreien Tops gezeigt – in einem Körper, der für viele Mädchen unerreichbar war. Dieses ganz bestimmte Aussehen wurde auch hier zur neuen Norm.
2010er: Kurven sind zurück – aber nur die „richtigen“
Mit dem Aufstieg von Kim Kardashian oder Beyoncé wurden Kurven modern – aber nur mit flachem Bauch, großer Brust, breiter Hüfte und dicken, aber straffen Oberschenkeln. Was als natürlich präsentiert wurde, war oft das Ergebnis von OPs, Fillern oder gezielter digitaler Bearbeitung. Es entstand ein Ideal, das kaum eine Frau von Natur aus erfüllen konnte.
2020er: Body Positivity & das leise Comeback des Skinny-Looks
Um 2020 gab es einen Hoffnungsschimmer: Die Body Positivity-Bewegung schien einen Wandel im Hinblick auf gestörte Körperbilder einzuleiten. Diversität auf Instagram, Selbstakzeptanz und Anti-Diät-Kultur – viele Frauen fühlten sich endlich gesehen. Doch: Mit dem Comeback von Y2K-Mode, Mager-Models auf Laufstegen und TikTok-Trends wie „Thinspiration“ schleicht sich der alte Druck nun langsam wieder zurück. Body Positivity verliert zunehmend Raum an das alte Ideal in neuem Gewand.
Wer bestimmt eigentlich diese Körpertrends?
All diese Trends kommen nicht von irgendwo, sondern haben ihren Ursprung dort, wo Profite durch die künstliche Erschaffung von Problemen oder Makel im Vordergrund stehen.
- Modeindustrie & Laufstege: Körper müssen zu Kleidung passen – nicht umgekehrt. Viele Trends entstehen aus Designideen, die nur an sehr bestimmten Körperformen „gut“ aussehen.
- Promis & Influencer:innen: Besonders auf Instagram und TikTok verbreiten sich neue Schönheitsideale rasant – ob natürlich, operiert oder digital bearbeitet, ist dabei oft nicht sichtbar.
- Medien & Werbung: Serien, Filme, Werbekampagnen zeigen selten Vielfalt, sondern vor allem ein bestimmtes Ideal. Selbst in vermeintlich „diversen“ Kampagnen sind Unterschiede oft nur oberflächlich.
- Algorithmen: Was gut performt, wird öfter angezeigt – was öfter angezeigt wird, formt unsere Wahrnehmung. Schlanke, gestylte Körper generieren mehr Klicks, Likes, Verkäufe. So wird oft mit Absicht ein bestimmtes Bild geformt.
Warum versuchen wir überhaupt, einem Ideal zu entsprechen?
Die Antwort ist genauso alt wie einfach: Weil wir dazugehören wollen. Weil wir gelernt haben: Wenn du schön bist, wirst du geliebt. Wenn du dem Ideal entsprichst, wirst du wahrgenommen, bewundert, akzeptiert. Das Spielen mit einer Angst aus der Steinzeit – wo eine Person, die nicht zu einer Gruppe dazugehörte, quasi nicht überleben konnte – wird in der Gegenwart zielgerichtet ausgenutzt, um künstliche Probleme und vermeintliche Schwachstellen zu erzeugen.
Ein gestörtes Körperbild entsteht nicht im luftleeren Raum. Es ist das Ergebnis von jahrelanger Konfrontation mit einem Ideal, das uns sagt: So, wie du bist, bist du nicht gut genug. Besonders junge Frauen wachsen mit der ständigen Botschaft auf, ihren Körper zu optimieren – Diäten, Detox, Fitspo, Skinny Talk. Das Resultat: ein gestörtes Essverhalten, chronische Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall Selbsthass und schwerwiegende Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie.
Ein Körper ist kein Trend
Es ist absurd, den eigenen Körper nach Trends zu formen. Denn dein Körper ist keine Mode – er ist dein Tempel, dein zu Hause.
Trends wechseln alle paar Jahre. Der Preis, sie mitzumachen, ist hoch: gefährdete mentale und körperliche Gesundheit, hormonelle Störungen, sozialer Druck. Die Zahl der Personen mit Essstörungen steigt nach wie vor – vor allem unter jungen Frauen.
Was kann man dagegen tun?
- Medienkompetenz aufbauen: Frage dich: Was ist echt? Wer verdient daran, dass du dich schlecht fühlst?
- Diversität bewusst suchen: Folge auf Social Media Menschen mit unterschiedlichen Körperformen, Hautfarben, Altersgruppen – das formt deine eigene Wahrnehmung.
- Sprache reflektieren: Sätze wie „du siehst so dünn aus“ sollten kein Kompliment sein.
- Dein Wohlfühlkörper statt Ideal: Gesundheit, Energie, Leistungsfähigkeit – all das sagt viel mehr über deinen Körper aus, als wenn du all das gegen einen Trend eintauschst.
Fazit: Dein Körper hat kein Ablaufdatum
Die Gesellschaft ist gut darin, uns einzureden, dass wir immer „besser“ aussehen müssen. Aber besser für wen? Für einen Algorithmus? Für den nächsten Trend? Für Mode, die sich in ein paar Monaten wieder ändert?
Ein gestörtes Körperbild ist kein persönliches Versagen – es ist ein riesiges gesellschaftliches Problem, über das viel öfter gesprochen werden muss. Lass uns gemeinsam anfangen, diese Trends zu hinterfragen. Denn Selbstakzeptanz ist kein Trend – sondern ein Statement.